„Warum dieser Stuhl?“

Cover: Warum dieser StuhlTja, „Warum dieser Stuhl?“… Diese Frage musste ich als bloggender Plastikstuhlfotograf und -sammler auch oft beantworten. Bei mir beantwortet sich diese Frage über ein halbes Jahr in Israel, zufällige – unvermeidbare – Begegnungen mit hunderten von Plastikstühlen in Tel Aviv. Fotografieren, ohne einen Plastikstuhl im Motiv zu haben schien vieler Orts unmöglich. Und so schlich sich der Plastikstuhl in mein Leben. Erst zufällig, dann ebenso systematisch wie leidenschaftlich.

„Warum dieser Stuhl?“ ist eine höchst persönliche Frage. – Mit Sicherheit gibt es mehr Sitzgelegenheiten als Gesäße auf Erden und glauben wir Jens Thiel, ist der Plastikstuhl davon die häufigste. Gar das häufigste Möbelstück dieses Planeten. – Jede und jeder mag ihre oder seine Vorlieben haben. Ich würde im Moment mit niemanden lieber mein Stuhl tauschen, als mit diesem Herrn am Strand von Tel Aviv.

Der extrem stylische schweizer Verlag Niggli hat ein ansehnliches Buch heraus gegeben, dass sich unserer hier wiederholten Frage widmet: „Warum dieser Stuhl?“ In dem von Egon Chemaitis und Karen Donndorf herausgegebenen Werk kommen 18 „Gestalter über Gestaltung“ zu Wort. Die Publikation stellt die gründlich redigierte und hübsch layoutete Verschriftlichung von neun moderierten Dialogen im freitagsforum der Universität der Künste in Berlin dar. Zu diesen brachten je zwei Architekt_innen, Designer_innen, Filmemacher_innen oder sonstige Gestalter_innen einen Stuhl ihrer Wahl mit. Und jede Gespächsrunde begann mit der selben Frage. Genau. „Warum dieser Stuhl?“ Martí Guixé, 1964 geborener „Ex-Designer“, der unter anderem bereits imMoma und dem Centre Pompidou ausstellte war die Person, die den unvermeidbaren gemeinen Monoblock-Plastikstuhl mitbrachte.

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Um es gleich zu sagen: Die Geschichte, die uns Guixé erzählt, ist nicht gerade die spannendste in diesem Buch.

Ich habe nicht so viel zu diesem Stuhl zu sagen. (Lachen) Es ist ein weißer Standard-Plastikstuhl.

Guixé berichtet, wie er 2004 in Milano, zehn dieser Stühle mit „Stop discrimination of cheap furniture“ beschrieben hat und diese dadurch unglaublich teuer wurden. Und eigentlich ist hier bei Martí Guixé auch Schluss mit der Erzählung über den Stuhl. Es folgen Ausführungen über seine Projekte mit Klebeband, darüber, dass er nicht kocht, sondern sich irgendwas machen lässt, weil „man essen muss, um den Körper weiter in Funktion zu halten“. Und ähnlich sei es mit dem Sitzen. Form follows function. Und Schluss.

Eine interessante Bemerkung, nämlich dass „das Objekt“ an sich in den letzten zwanzig Jahren an Bedeutung verloren hat und durch „die Marke“ verdrängt worden sei, widerlegt Guixé durch den mitgebrachten Plastikstuhl eigentlich selbst. Schließlich ist dieses globale Objekt nicht durch eine Marke bis heute ein weltweites Phänomen, sondern durch seine Form. Doch der Ex-Designer meint, das Objekt sei nicht mehr wichtig. Und so verblasst auch alles was Guixé (zum Stuhl) zu sagen hat und kann getrost vernachlässigt werden. Nicht jedoch das Buch, welches auf seinen 270 Seiten viel wissenswertes, liebevolle Anekdoten und schöne Bilder enthält. Für Menschen, die sich für Design interessieren, gern sitzen und lesen eine lohnenswerte Anschaffung.

Chemaitis, Egon/Donndorf, Karen (2007): Warum dieser Stuhl. Gestalter über Gestaltung, Niggli-Verlag, Sulgen/Zürich